Thomas Glavinic: Das größere Wunder

Eins vorweg: der kann ganz toll schreiben, der Glavinic. Ein dickes Extraplus für seine Schreibtechnik.

Aber, worüber er schreibt, das ist ganz übler Krampf: Jonas ist Kind einer alleinerziehenden Mutter, die sich immer wieder mit prügelnden Säufern einlässt. Und als Jonas dann mal krankenhausreif geprügelt wird, trifft er eben dort, im Krankenhaus, seinen Retter. Picco nennt er sich und ist ein netter Kerl, der Jonas in seinen Obhut nimmt, ja sogar adoptiert. Im Laufe der Zeit wird dem Leser dann klar gemacht, dass Picco und seine Kumpanen Totschläger und Kriminelle sind und nicht nur ein Dorf in Österreich unter ihrer Kontrolle halten, sondern Dreck ohne Ende am Stecken haben. Darüber sind sie aber moralisch vollkommen erhaben. Denn mit Moral hat es unser Autor irgendwie gar nicht.

Es kommt wie ein Roman es braucht: Picco stirbt und hinterlässt Jonas ein Vermögen, dass so groß ist, dass der Bub nie auch nur eine Sekunde lang sich Sorgen um sein Leben machen müsste. Stattdessen kauft er sich Inseln und lässt sich Dreimaster bauen. Nicht nur Geld hat er bis zum Abwinken, auch Sprachen fliegen ihm über Nacht zu. Doch, das meint Glavinic ernst: hört Jonas eine Sprache eine Weile an – so ein, zwei Stunden – dann versteht er sie. Auch Nepalesisch, Russisch, Japanisch, alles kein Problem.

Und so ist es dann kein Wunder, dass er – bestens mit Geld und Sprachen gerüstet – duch die Welt zieht. Bis in die letzten Winkel. Sein Hobby passt prima zum Reisen: Sonnenfinsternisse gucken.

Ansonsten sucht er irgendwas, wohl noch am ehesten die Liebe seiner Mutter oder sonst irgendwas, der Autor macht sich nicht die Mühe, uns zu erklären, was den Kerl antreibt. Aber Suchen macht sich immer gut, gell? Sonst müsste man ja keinen Roman schreiben. Irgendein „Gral“ wird es schon sein, den Jonas sucht, ist doch schnurz.

Alles hat Jonas schon gesehen, fehlt ihm noch der Gipfel der Mount Everest und dann die nächste Sonnenfinsternis. Und vielleicht nimmt er dann auch noch mal Kontakt zu seiner großen Liebe auf, mit der hat er ein Problem, welches, das ist dem Autor auch nicht klar, aber macht nix, man deutet dräuend an, dann wird sich der Leser schon einen Reim draus machen.

Und da sitz ich nun und weiß nicht, ob ich das Buch empfehlen soll. Es hat Spaß gemacht, es zu lesen. Es war sogar so gut, dass ich während des Lesens bereit war, über die inhaltichen Zumutungen wegzusehen. Wie eine Everest-Besteigung aussieht, meine ich nun zu wissen. Vielleicht geht das auch ganz anders, aber Glavinic nehme ich ab, dass er das gut beschrieben hat. Ach, ich empfehl das Buch jetzt mal nicht. Ich habs ja schon gelesen. Schaut doch selbst zu, ob es auch gefällt.

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