… ja, die hat man gern. Und wenn im Abspann steht „Nach einer wahren Begebenheit„, dann ist der Film gleich viel besser. Das Beste von Readers Digest wäre lang nicht so gut, wenn darin nicht die schockierend-ergreifenden Geschichten von Menschen, wie dir und mir stünden. Und nichts löst so zuverlässig Schauer aus wie Aktenzeichen XY – ungelöst. Wenn man schon verschaukelt wird, dann vom Reality TV mit seiner scripted reality.
Gern verharrt der Rezipient mental auf der Stufe des staunenden Zuhörers am Steinzeitlagerfeuer, auf der Stufe des entsetzt-neugierigen Kindes.
Die Beispiele zeigen: dem Rezipienten wird das Ende der Fiktion vorgespielt, des Wahren, des Authentischen. Er lässt es sich vorspielen. Dabei lügen diese Geschichten wie gedruckt. Die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit gibt es nicht. Sie sind nicht einmal fließend, sie sind selbst nur Fiktion.
Moment. In diese Richtung wollte ich gar nicht. Eigentlich geht es mir darum, dass die vermeintlich authentischen Geschichten schon ganz gern mal eine Volte mehr drehen (dürfen und sollen!), als das echte, sonst zu langweilige Leben. Trotzdem/deswegen erfreuen sie sich beim Publikum großer Beliebtheit. Nach meinem Eindruck trotzwegen zunehmender Virtualisierung mehr als weniger. Geschichte aus dem echten Leben gegen dieses bohrende Defizitgefühl, dass das, was man lebt, doch nicht alles sein kann.
Weil es sich lohnt: in die Rolle des Rezipienten schlüpfen, mal sehn, was der sieht.Schauer und wohligen Schrecken jagen die wahren Gesichten durch den Leser. Das Glücksgefühl vom Schicksal nicht derart geschlagen zu sein. Das schmachtende Sehnen, selbst einmal eine derartige Liebe zu erleben. Die Bestätigung, dass das Leben ungerecht und beschissen ist, was man ja schon immer wusste. Die Gehässigkeit, weil es den da genauso tritfft wie einen selbst und sogar noch schlimmer.
Die vermeintliche Echtheit erzeugt echte Gefühle. Das Echtheitsversprechen spricht nicht die Ratio an, sondern die Emotionen. Die Geschichten, die das Leben schreibt, sind wie Kondome: gefühlsecht.
Kurz: „echte“ Geschichte werden erzählt, weil der Leser sie will. Weil sie so abstoßend-anziehend sind, wie Breugels Höllengemälde.
Doch es bleibt dabei: nicht das Leben schreibt Geschichten, es sind die Autoren. Und deshalb wirds im nächsten Beitrag um genau die gehen.
- Dies ist eine Fortsetzung von: „Warum man den Autor (zu) gern mit seiner Hauptfigur gleichsetzt“