Ausgelesen: Elif Shafak – Der Bastard von Istanbul

Gleich vorweg gesagt: durchaus lesenswert!

Die Erzählung rankt wie eine Arabeske um zwei gleichaltrige, etwa 20jährige Mädchen: Asya lebt in Istanbul mit ihrer Mutter und deren drei Schwestern sowie der Großmutter in einem Haus in traditioneller Architektur. Armanoush lebt in den USA, wird dort von ihrer geschiedenen Mutter und der armenischstämmigen Familie ihres Vaters großgezogen.

Beide kennen ihre Herkunft nicht: um Asyas Vater wird ein Geheimnis gemacht und die Vorfahren von Armanoush sind Opfer der Genozids an den Armeniern geworden. Dies ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit der auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen jungen Frauen. Ach ja, die lernen sich natürlich kennen … und man ahnt, dass es um diese Lücke in der Vergangenheit geht, wie man damit lebt, ob und wie man sie füllt.

Gelegentlich gerät die Geschichte recht schablonenhaft: die amerikanische Mutter von Armanoush ist sehr klischeehaft gezeichnet. Genauso die vier Frauen, die Asya groß ziehen. Die Art, wie die Autorin den Rückblick auf die Zeit um 1915 herum bewerkstelligt, wird auch nicht jeden Leser überzeugen. Aber insgesamt trotzdem eine schöne und raffinierte Geschichte um ein in der Türkei bis heute heikles Thema und darum, ob und welche Verantwortung die nachgeborenen Generationen haben.

Sehr nett auch, den Bogen, der von den ersten Seiten zu den letzten gezogen wird, ich sag nur: Regen. Die Idee, die Kapitel nach Speisen zu benennen, mag auf den ersten Blick ein wenig harmlos schein, sie trägt aber durch ganze Buch und findet ihre geniale Berechtigung in einem zentralen Kapitel mit der Überschrift Ashura.