Ausgelesen: Die doppelte Juli

Juli Zeh: „Schilf“ und „Nullzeit“

„Schilf“ ist ein Krimi. Ein ungewöhnlicher. Er funktioniert nicht nach der gewohnten Mechanik der Genres. Ist aber vielleicht gerade deshalb lesenswert. Die Autorin schafft überzeugende Figuren (vom Ermittlerduo bis hin zu Tätern und Opfern). Sie nutzt Spielorte, die schön heimelig sind (Freiburg, den Schwarzwald, Genf), so dass der Kriminalfall gar schaurig in die Idylle einfällt. Und sie suhlt sich nicht in blutrünstigen Details, sondern verfängt ihre Figuren und die Leser in einem physikalischen Rätsel. Gut? Oh ja!

„Nullzeit“ spielt auf Lanzarote und weil ich dort gerade war, hab ich mir den Text nochmal gegönnt – hab ihn nämlich vor längerem schon mal gelesen. Und tatsächlich ist es ein Text, dem die Zweitleküre nicht schadet – vielleicht sogar im Gegenteil. Denn wenn man weiß, worauf es hinausläuft, dann genießt man die Entwicklung (Verwicklung?) der Geschichte vielleicht umso mehr. Die Autorin ist Juristin, genau wie  einer der Protagonisten. Und der Text ist ein Problem, wie es sich jedem  Strafrechtsjuristen täglich stellt: wer lügt? Ja, wer lügt? Dem Leser viel Spaß bei der Beantwortung der Frage. Worum geht es? Es geht um die Insel und viel mehr noch, ums Tauchen. Zusammen mit einem Tauchlehrer – einem Aussteiger aus dem deutschen Rechtssystem –  und seinen Tauchschülern – einem Päarchen aus der Schickimicki-Szene deutscher B-Prominenzen – tauchen wir ab und in die Geschichte ein. Wie lang kann man tauchen, ohne Schaden zu nehmen, das ist knapp gesagt die Nullzeit. Wie lang kann man im Meer tauchen ohne sich zu schaden, wie tief kann man in eine fremde Beziehung eindringen ohne Schaden anzurichten, wie kann man als Jurist über zwei Menschen richten und sicher sein, dass man keinen Schaden anrichtet, wie kann man dies als Leser tun? Empfehlenswerte Lektüre? Auf jeden Fall!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert