Sherko Fatah: Der letzte Ort
Der Autor ist Chamisso-Preisträger und mit einer Passage aus diesem Buch hab ich ihn im Sommer gehört. Es geht um einen Deutschen, der mitsamt seinem einheimischen Übersetzer, im Irak entführt wird. Eigentlich eine gute Idee, denn damit ist ein gutes Setting geschaffen, damit während ihrer Geiselhaft in Dialogen schön die interkulturellen Konflikte etc. durchhecheln. Leider hat der Autor eine Chance verpasst. Die Geschichte ist dann doch zu künstlich. Der Deutsche ein neurotischer, egomaner Kerl. Dass der Deutsche aus Ostdeutschland kommt und seine Heimat verloren hat, genauso wie der Iraker seine alte Heimat verloren hat, dass ist schwülstiges Ossi-Getue.
Cesar Aira: Wie ich Nonne wurde
Kann mit dem Buch leider so gar nichts anfangen. Erschließt sich mir nicht. Ein Kind bekommt von seinem Vater ein Eis geschenkt und ist ob der Bitternis des Eises schwer enttäuscht. Vater brüllt, weil Kind enttäuscht, Kind brüllt, weil Vater brüllt. Vater probiert Eis, schmeckt tatsächlich bitter, Vater streitet mit Eisverkäufer, dieser schreit zurück. Vater tötet Eisverkäufer. Vater kommt ins Gefängnis. Kind besucht Vater dort. Kind kommt in Schule. Kind wird von Frau des ermordeten Eisverkäufers entführt und in Eismaschine getötet. Naja.
Aravind Adiga: Der weisse Tiger
Ein Blick auf das heutige Indien durch die Augen eines Paria. Aus niederer Kaste stammend hat er keine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Außer … tja, dafür lohnt es sich, das Buch zu lesen. Die Konstruktion ist nicht übel, eigentlich ist es ein Briefroman, weil der Ich-Erzähler Briefe an einen chinesischen Staatsgast schreibt, um diesem die indische Gesellschaft anhand seines eigenen Lebens zu erzählen. Die Geschichte die sich dann entspannt ist kurzweilig, farbenprächtig, einfach indisch. Und deshalb stinkt sie auch nach Scheiße, verrecken die Kinder und alles ist nicht wenig eklig. Fraglich also, ob man nach der Lektüre noch nach Indien reisen will. Muss man vielleicht aber auch nicht, denn das Buch ist fast schon so gut wie eine Reise. Also: Leseempfehlung.
Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen
Das Buch zur Flüchtlingswelle. Erpenbeck konstruiert ein wenig heftig. Ein Prof in Rente hat prötzlich ganz viel mit Asylanten zu tun. Beherbergt gar Dutzende von ihnen. Und trotzdem berührt das Buch. Nicht wegen des Profs, sondern wegen der vielen gut recherchierten Geschichten. Weil die Asylanten zu Menschen mit Geschichte werden. Nicht nur nette Menschen. Aber eben Menschen. Lesen? Ja!