Je nun. Tukur hat wieder einmal eine Buch geschrieben und sein Verlag hat ein sehr bibliophiles, geschenkgeeignetes Bändchen daraus gemacht.
Wie schon in der „Spieluhr“ wird durch die Zeit gereist. Diesmal ein Stuttgarter, der zwischen „heute“ (das soll 2033) und der Zeit der deutschen Besatzung in Südfrankreich hin- und herpendelt.
Interessantes Gedankenspiel: Frankreich ist 2033 eine Diktatur, Deutschland von einer Art Bürgerkrieg zerrissen, Russland marschiert ins Baltikum ein, Millionen Binnenflüchtlinge ziehen durch Europa. Vielleicht gar keine so unrealistische Prophetie des Autors? Jedenfalls der Hintergrund der Geschichte.
Der Protagonist verwickelt sich nun in beiden Zeitebenen in die Umtriebe der Resistance. 2033 will er einer der Guten sein, vor allem, weil er in eine der Widerstandkämpferinnen verliebt ist. Hundert Jahre vorher steckt er im Leib eines Serienmördermonsters, dass deutsche/jüdische Flüchtlinge nicht ins rettende Spanien, sondern ins Jenseits befördert.
Familiär und wohl auch erblich (ja, Tukur unterscheidet das!) ist der Protagonist an diese Vergangenheit und das dortige Personal gebunden. Das wünscht sich der Leser manchmal etwa klarer und übersichtlicher dargestellt.
Was transportiert das Buch? Monster sind uns nah, seeehr nah. Das Monströse kann jederzeit um die Ecke kommen und unsere Gesellschaft auflösen. Das Monströse sitzt in der Vergangenheit honorabler Richter. Das Monströse tritt in Gestalt eines Arztes, eines Kinderarztes noch dazu, auf. Das Monströse tobt durch Familien und Zeiten. Es gibt Widerstand dagegen. Immer und durch viele. Und das Monströse bricht den Widerstand. Immer? Oder gibt es einen Weg, es zu zerstören?
Lohnt sich die Lektüre? Vielleicht schon. Immerhin kann man mal über die Geschichte der eigenen Familie in der Nazizeit nachdenken. Und darüber, wie man selbst zu der Gesellschaft steht, in der man lebt, ob man bereit wäre Widerstand zu leisten gegen Diktatur. Oder ob man seine dunkle Monsterseite auslebt. Tukurs Anliegen ist hinter dem Text entspringt der aktuellen politischen Situation Deutschlands, Europas und der drohenden, wahrscheinlicher werdenden Möglichkeit, dass „populistische“ Strömungen die Macht übernehmen.
Ein edles Ansinnen. Ist es literarisch gut umgesetzt? Ich sag mal so: es hätte besser sein können. Die Zeitreisen sind ein wenig bemüht eingebaut. Das Personal ein wenig verwirrend. Im Detail wechselt in Einzefällen die Perspektive rechgt unangenehm unmotiviert und einzelne Adjektive sind nicht angemessen (da hätte sich das Lektorat gegenüber dem Autor ruhig mal durchsetzen können!).
Leseempfehlung? Uneindeutig!
Ach ja, das war ja noch was: der Titel! Nun, Courbets Bild „Der Ursprung der Welt“ zieht sich zwar wie ein Motiv durch das Werk. Der Titel scheint mir aber ein reißerischer Versuch zu sein, eine größere Leserschicht anzusprechen: Bildungsbürger mit expliziten Sexualphantasien. Letztlich verspricht der Titel mehr, als der Text dann einlösen will. „Dafür“ lohnt sich die Lektüre also nicht.