Ausgelesen: Wolfgang Herrndorf „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“

Seit langem mal wieder eine Sammlung Erzählungen, nein, Kurzgeschichten gelesen. Der Unterschied? Ich glaube, eine Erählung hat eine Entwicklung, eine Handlung. Eine Kurzgeschichte ist eher ein Blitzlicht auf eine Situation.

In einer der Geschichten zitiert Herrndorf Chabrol: „Eine gute Geschichte muss einen Anfang haben, ein Mitte und ein Ende.“ Nun, für Kurzgeschichten gilt dies nicht. Und auf keinen Fall für diese Texte von Herrndorf. Er fängt an und wirft den Leser mitten in eine Situation, die wird in hochliterarischer UND unterhaltsamer Art beschrieben und dann ist aber auch schon gleich wieder Schluss. Einige der Texte sind sehr lose mit einander verbunden – ohne dass diese Verbundenheit ihr Verständnis erhöhen würde.

Aber: wer gern wunderschöne Beschreibungen zwischenmenschlicher Kommunikation und ihrer Störungen lesen will, der ist hier genau richtig. Selten so schöne Dialoge gelesen, selten so schöne Beispiele für Partygespräche gelesen, die zwischen Humor und mörderischer Destruktion des Gegenübers schweben. Ach ja, was braucht es Handlung, wenn allein die Situation so schön beschrieben werden kann?!

Wie ich dies schreibe, fällt mir die Doppeldeutigkeit des Titels auf. Der Van-Allen-Gürtel ist eine strahlungsreiche Zone um die Erde – das lernt man in einem der Texte. Ein Durchfliegen – so die Skeptiker der Mondlandung – sei tötlich. Nun heißt das Buch aber „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ und ist insofern doppeldeutig, als dass damit eine reine Ortsangabe  gemeint sein kann – nämlich unsere Erde. Oder auch das Leben vor dem Tod, also, das diesseitige Sein der hier und jetzt Lebenden. Jaja, so ist er, nein, so war (!) er, der Herrndorf, ein Autor, bei dem man genau hinschauen kann und immer wieder was entdeckt. Man hat sein Vergnügen zweimal, einaml beim Lesen und dann beim Nachdenken über den Text.

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