Ausgelesen: Juli Zeh, „Leere Herzen“

Wieder einmal ein sehr gutes Buch von Zeh. Wie fast alle ihre Bücher, ist auch dies ein Text mit unmittelbarem Bezug zur aktuellen politischen Situation. In gleich zweifacher Hinsicht: Sie schreibt an gegen den Rechtsruck in Deutschland und gegen den Verlust der europäischen Utopie.

Dazu entwirft sie ein Science Fiction-Szenario. Wobei die Science in der Fiction nicht technisch ist, sondern Gesellschaftswissenschaft. Wie könnte es in wenigen, ganz wenigen Jahren in Deutschland aussehen, wenn nach Merkel eine Art AfD an die Macht käme.

Houellebecq hat vor einiger Zeit eine ähnliche Überlegung für Frankreich und den Fall einer „islamischen Machtübernahme“ angestellt. Und damit einen Skandal ausgelöst. Julia Zehs Text wird von der Öffentlichkeit dagegen mit ziemlicher Gleichgültigkeit aufgenommen. Schon allein dieser Unterschied in der Aufgeregtheit zeigt, um wie vieles aktueller Zehs Roman ist. Denn genau dieses Desinteresse der saturierten Bürgertums an Politik benennt ihr Text als Hauptproblem Deutschlands in der nahen Zukunft.

Der Text ist durchaus spannend und der Schluss ist absolut überzeugend gelungen. Wohl kein Leser wünscht sich insgeheim diesen Schluss – wie viel schöner hätten andere Schulssvarianten sein können. Und doch ist genau dieser von Zeh gewählte Schluss ihr überzeugender Beitrag zu aktuellen politischen Situation ist und gleichzeitig ein Beitrag zur alten Frage, ob Tyrannenmord legitim sein kann. Zehs Text bezieht eindeutige Position: Nein, der Weg muss zum Ziel passen, wer Demokratie und eine freiheitliche Gesellschaft will, muss mit demokratischen Mitteln und ohne Unterdrückung von Freiheitrechten zum Ziel kommen.