Ausgelesen: Biller und Whitehead

Maxim Biller: Sechs Koffer

Eine dringende Warnung vor diesem Buch. Unbegreiflicherweise hat der Titel es auf die Shortlist des Bücherpreises geschafft. Nach der Lektüre bin ich mir sicher, dass die Jury sich dadurch den ätzenden Ärger mit dem Autor ersparen wollte, der andernfalls in den Feuilletons und allerorten ausgerastet wäre.

Hab ich jemals ein derart überflüssiges Buch gelesen? Kann mich nicht erinnern. Es dreht sich um die Frage, wer den „Taten“ verraten und damit ermordert hat. Der „Tate“ ist der Großvater des Autors und der Verräter muss aus dem Kreis der Familie stammen. Das Buch nimmt kapitelweise die Perspektive jeweils eines andern Familienmitgliedes ein. Und kommt nicht vom Fleck. Es gibt keine Handlung. Es gibt keine Entwicklung. Es gibt keine Spannung. Die Figuren bleiben uninteressant. Die Beschreibungen (Prag, Zürich etc.) sind – nun ja – nicht wirklich der Brüller. Stilistisch bewegen wir uns im – unteren – Mittelfeld. Und der Schluss sei ruhig verraten: auch die Schwester des Autors quält sich mit dieser Frage nach dem Tod des Opas herum. Und hat ein Buch dazu geschrieben. Übrigens vor ihm. Und wird dazu interviewt, was er in seinem Schlusskapitel aufgreift. Und das vorliegende Buch endet doch tatsächlich damit, dass seine Schwester der Interviewerin gleich verraten wird, wer den Taten umgebracht hat. Bevor sie es aber tut, hört Biller auf.

Also: wer unbedingt lesen möcht, sollte statt Maxim lieber seine Schwester lesen. Oder sich mal fragen, ob der Tod des Opas wirklich so interessant ist. Ich finde nicht. Deshalb sollte man sich lieber gleich guten Büchern zuwenden.

Colin Whitehead: Underground Railroad

Welche Facetten hat die Unterdrückung der US-amerikansichen Schwarzen gehabt? Vom Sklavenhaltersystem mit seinen sadistischen Grausamkeiten hat wohl jeder gehört. Für mich neu war, dass es Staaten gab, die nicht minder selektiv-diskriminierend mit Schwarzen umgingen, aber keine Sklaven-Südstaaten  waren.

Da wurden dann die freien Schwarzen nur für mindere Jobs verwendet, zum Beispiel als lebende Staffage im Museum, wo sie in Glaskästen die Panoramen exotischer Welten ausschmückten. Oder Opfer medizinischer Kastrations- und Abtreibungskampagnen wurden. Oder der Staat, der sich als Staat ohne Sklaven definiert hat … und deshalb alle Schwarzen jagt und tötet. Und diejenigen, die dann weit oben im Norden ankommen und eigene Farmen gründen, werden halt doch wieder vom weißen Lynchmob verfolgt. Verbunden sind die Staaten durch die Underground-Railroad, die entflohene Sklaven versucht nach Norden zu schmuggeln. Unter Einsatz des Lebens aller Beteiligter, auch der weißen Unterstützer.

Der Buch ist spannend und zerrt an den Nerven. Im Grunde erleben wir die Fluchtetappen einer Frau mit. Und die vielen Verluste an Menschenleben, die diese eine Flucht fordern.

Was mir aber übel aufstößt: der Autor lässt tatsächlich eine echte Eisenbahn durch unterirdische Tunnelanlagen rasen. Das ist natürlich Humbug und könnte man als literarische Freihet nehmen. Dumm nur, dass ich in amerikanischer Geschichte nicht so bewandert bin, dass ich mir an allen anderen Stellen sicher bin, Humbug von quasi Dokumentarischem unterscheiden zu können. Aber vielleicht stören andere Leser sich nicht daran oder kennen sich besser aus als ich. Deshalb möchte ich das Buch – sogar dringend – empfehlen. „Spaß“ macht die Lektüre nicht, aber gut ist das Buch trotzdem, leuchtet es doch in die ganz dunklen Ecke der US-Geschichte, die einfach nicht vergessen werden dürfen. Wie alle dunklen Geschichtsecken.

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