Principessa (7)

Lieber Onkel Onofried,

heute morgen erwachte ich an einem großen Jammern und Wehklagen, das weit über die Ebene hallte. Mein erster Gedanke war, dass IHR etwas passiert sein könnte, IHR Schiff von den Wellen verschlungen wurde, IHR zarter Körper leblos durch Tang und Algen treibt. Sofort stürtzte ich auf die Straße, mich zu erkundigen. Kam war ich draußen, wurde das Jammern und Wehklagen noch lauter. Hatte ich doch vergessen, mir in der Eile etwas über zu ziehen. Glücklicherweise half mir Nachbars Gattin mit einer Schürze aus, die ich mir flugs um den Leib band. Du kennst ja die stets zu kleinen Scherzen und Schelmereien aufgelegten Italiener, sie haben sie natürlich köstlich amüsiert und die kleine Angelegenheit machte im Städtchen die Runde. Und noch den ganzen Vormittag hatten wir viel zu lachen, wenn ich jemanden traf und wir darauf zu sprechen kamen.

Es war dies aber auch der einzige Lichtblick an diesem hässlichen Tag. Zwar hatte ich grundlos um IHR Leben und Wohlbefinden gefürchtet, von IHR liegen noch immer keine Nachrichten vor. Doch etwas anderes und viel schwerer wiegendes als ausgestreutes Laub trübt unsere Stimmung. Über Nacht tauchten aller Orten Schilder der obszönsten Art auf. Die Polizei ermittelt, hat aber noch keine Erkenntnisse. Dabei ist die Sache doch ganz klar. Jeder hier in der Stadt spricht es offen aus: es muss sich um einen republikanischen Anschlag handeln, etwas anderes kann es gar nicht sein. Die Schilder sind alle gleich angefertigt. Sie tragen stets die Aufschrift „Marina die Pietrasanta“. Dies ist doch ganz klar die Handschrift der Republikaner. Wer sonst sollte die Frechheit haben, ihr den Adelstitel zu rauben. Und wie wenn dies nicht schon der Dreistigkeit genug wäre, sind auch noch Pfeile auf den Schildern, die alle – ausnahmslos alle! – zum Meeresufer zeigen. Offensichtlich soll SIE, die doch vom Meer kommt, dorthin wieder verschwinden. Die Schilder sind alle unten an die restlichen Verkehrsschilder angebracht und durch ihr schreiendes Blau unübesehbar. Die perfidesten Exemplare schicken SIE in den Wald oder auf die Autobahn, nach dem Motto weit und schnell weg.

Onkel Onofried, du bist sicherlich ein Republikaner im Geiste und sitzt dein Pfeifchen schmauchend über diesen Zeilen, still vor die hin schmunzelnd. Aber, lass dir gesagt sein, die Bevölkerung hier ist in zwei unversöhnliche Lager gespalten: die friedliche und überwiegende Mehrheit, die IHR Erscheinen herbeisehnt. Und ein paar wenige, das Tageslicht scheuchende Taugenichtse, die unversöhnlich ihre zersetzenden Taten begehen. Oh, Onkel, ich weiß nicht, ob dies nicht zwangsläufig in eine Katastrophen führen muss. Meine Brigade hat jedenfalls beschlossen, dass wir Nachtwachen einteilen. Wir müssen den Untaten dieser Rüpel Einhalt gebieten, bevor SIE kommt und den Eindruck haben könnte, dass SIE hier nicht willkommen ist.

Dein lieber Vetter Franz

 

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