Naciye erzählt …

… eine Geschichte aus dem Orient:

Als Gott die Erde mit allen Landschaften, Pflanzen und Lebewesen geschaffen hatte, da lehnte er sich zufrieden zurück und freute sich an seinem Werk. Bis er merkte, dass er ja etwas vergessen hatte. Er hatte vergessen, dass der Tod noch übrig ist. Aufgeregt sprach er zu sich selbst: „Oh mein Gott, wem gibts du nun den Tod?“

Er grübelte und entscheid sich, den Steinen den Tod zu geben. Gesagt, getan. Gespannt wartete er, bis der erste Stein starb, um zu sehen, ob seine Entscheidung richtig war. Aber, als es dann soweit war, geschah schlimmes. Die anderen Steine konnten den Tod ihres Artgenossen nicht fassen. Sie waren unglücklich, wie noch nie etwas unglücklich war. In ihrer Trauer weinte die Erde Steine, die überall aus den Äckern drückten. Berge heulten, dass sich ganze Flüsse aus Stein über ihre Abhänge ergossen. Gebirge zerrissen sich in ihrem Weltschmerz, so dass sich tiefe Furchen in ihr Antlitz gruben, tiefe Schluchten und Abgründe. Gott besah sich das alles und dachte bei sich: „Nun, meine Entscheidung war so schlecht nicht, aber es ist schon auch ziemlich laut, wie die Steine trauern. Sie werden sich sicher wieder beruhigen, hoffentlich.“

Die Steine beruhigten sich aber nicht. Tag ein Tag aus drang ihr Wehklagen durch das All zu Gott empor und der fand keine Ruhe mehr und hatte keine rechte Freude mehr an seiner Schöpfung. „Nein, so geht das nicht. Meinen Schöpfung ist durch dieses ewige Trauern und sich vor Schmerz zerreißen schon arg in Mitleidenschaft gezogen. Gott sei dank kann ich meine Entscheidung rückgängig machen. Ich gebe jemand anderem den Tod.“ Nach kurzem Zögern gab er den Tod den Menschen. Einfach so. Es gab ja auch so viele davon. Und als nun die ersten Menschen starben, da war er gespannt, was passiert.

Ja, es gab ein Jammern und Wehklagen. Aber während die einen noch am Grab weinten, spielten da drüben bei der Hütte dort schon wieder welche laute Musik und tanzten dazu. Was war denn da los? Ach, ein Hochzeit. Nun ja, da wird nun mal gefeiert. Und hier, was machen die beiden da, wo das Grab noch nicht einmal zugeschaufelt ist? Sie machen Geschäfte, so so. Und das Gebrüll dort? Da schlagen sich ja welche, während die Familie des Toten noch trauert. Obwohl, nein, sie trauern ja gar nicht mehr, sie sitzen zusammen und essen und trinken und hinter dem Busch liegt der Sohn des Toten bei der Nachbarin und dort gebiert seine Tante ein Kind. Gott besah sich das alles und dachte bei sich, gut, dass ich den Steinen den Tod genommen habe, die Menschen können damit viel besser umgehen. Dreht sich um und hält ein Nickerchen.