Als ich jetzt die Quadratfotos der letzten Wanderung zusammenstellte, fiel mit ein belauschtes Gespräch in einer Galerie ein: zwei Besucher fragten die Galeristen, warum der Künstler denn nur quadratisches Fotos macht. Ratlosigkeit und Gestammel war die Antwort. Dabei ist die Sache doch einigermaßen klar:
In der Natur gibt es kein Quadrat. Das Quadrat ist stets vom Menschen gemacht. Ausdruck der menschlichen Fähigkeit, die Natur in seinem Sinn zu formen. Das Quadrat ist stets künstlich. Es ist an sich Kunst.
Das Quadrat fokussiert den Blick. Das Quadrat rafft das Motiv in seinen Grenzen zusammen. Zum Vergleich das Panaramofoto: dort schweift das Auge über die Breite des Bildes, das Motiv dehnt sich episch breit aus.
Das Quadrat thematisiert seine eigenen Begrenzung, akzeptiert sie und sprengt sie. Gerade weil das Quadrat in der Natur nicht vorkommt, passt kein Motiv in das Quadrat. Entweder fallen Teile des Motivs weg und sind hinter der quadratischen Begrenzung unsichtbar (aber vorstellbar, imaginierbar). Oder das Motiv wird umfassend im Quadrat dargestellt, dann aber mit Teilen seiner Umgebung, das Dargestellte wird in seiner Umgebung eingeordnet. Man stelle sich ein Portrait im Quadrat vor: entweder fehlen Teile des Gesichtes, der Fotograf konzentriert sich auf das, was ihm wichtig scheint – oder er zeigt die Umgebung des Fotografierten (egal ob kahler Studiohintergrund oder Lebenswelt: das Bild wird davon beeinflusst).
Technikgeschichtlich hatten und haben viele Mittel- und Großformatkameras ein quadratisches Bildformat: 6×6, 9×9 … vielleicht sind sie dann leichter konstruierbar, stabiler? Erst lange nach den Anfängen der Fotografie, als die Fotografie Massenmedium wurde, ging man zu unquadratischen Bildern über. In der 13×18 Proportion war der Mensch, eine Landschaft, Architektur viel einfacher zu umfassen. Gesamtansichten eines Motivs „ohne Ausschuss“ wurden durch diese Proportionen möglich. Die Proportion hat sich dem Menschen angenähert, wurde „natürlicher“ und weniger „künstlich“.
Was mich mal interessieren würde: warum hat man sich nach der Abkehr vom Quadrat auf eine bestimmte Proportion fest gelegt? Wieso hat man aus der Vielzahl der Möglichkeiten diese eine ausgewählt? In Europa war die Proportion ein wenig gedrunger: 9×13 und 7×10 haben ein Seitenverhältnis von ca. 1,44. In den USA war die Proportion gestreckter: 10×15 hat ein Seitenverhältnis von 1,5. Vielleicht, weil sich die weiten Landschaften, die Hochhäuser, die Mammutbäume, die Raketen, die langen Autos damit besser erfassen lassen? Mit dem BMI kann es nichts zu tun haben, da müsste man in den USA eher wieder zum Quadrat zurück kehren. In Europa jedenfalls hat man wegen der Labormaschinen aus den USA ebenfalls dieses etwas gestrecktere Format übernommen. Inzwischen kann man bei vielen Digitalkameras sowieso zwischen verschiedenen Aufnahmeformaten wählen.
Polaroid nahm lange Zeit eine Sonderstellung mit seinen quadratischen Bildern ein. Aber da sollte man vielleicht mal gesondert drüber nachdenken. Polaroid hatte ja noch weitere Besonderheiten, war z.B. als Sofortbildkamera ein Vorgriff auf die Digitalfotografie.
Kunsthistorikern fällt sicher noch mehr zum Quadrat ein. In diesem Zusammenhang muss unbedingt auf das „Museum Ritter“ in Waldenbuch verwiesen werden. Schießlich widmet sich dieses Museum explizit dem Quadrat in der Kunst.