So seh ich das: Ein Text ist ein Gewebe.
- Aufeinanderfolgende Sätze können durch zwei Wörter in ihnen verbunden sein: sie knüpfen inhaltlich an einander an oder klanglich oder auf zig andere Arten.
- Zwei Texte – Sätze, Absätze, Kapitel, ganze Bücher – korrespondieren miteinander. Im banalsten Fall, weil die eine Passage eine andere zitiert oder sich die Handlung der einen in der zweiten weiter entwickelt. Schöner noch, wenn die zweite zurück blendet, der ersten widerspricht, sie ins Gegenteil verkehrt oder ihr Thema bewusst ausblendet und wie eine Hohlform umgibt. Auch hier: es gibt kaum Grenzen, wie sich zwei Texte aufeinander beziehen können.
- Figuren sind miteinander verflochten – die Handlung erwähne ich jetzt zum letzten Mal, weil an die sowieso jeder denkt. Die Wege von Figuren können sich irgendwo im Text oder sogar außerhalb des Textes kreuzen. Die Figuren sind selbst dann verbunden, wenn sie sich überhaupt nirgendwo und niemals begegnen – weil der Text derart gebaut ist, dass sie sich nicht begegnen können. Dann umgarnt ein Strang des Gewebes einen anderen Strang ohne dass sie sich verknoten.
- Texte sind mit anderen Texten verflochten, indem sie zitieren, weitererzählen, ins Gegenteil verkehren.
- Texte sind mit der echten Welt verflochten, indem sie Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft erzählen, indem sie aufs genaueste dokumentieren oder alternative Möglichkeiten anbieten.
- Texte sind mit ihren Autoren verbunden und Autoren verbinden ihre Texte mit den Lesern.
- Leser sind durch die Texte verbunden.
Was sieht der Pilzsammler? Den Fruchtkörpers des Pilzes. So wie der Leser mit dem Text zunächst einmal nur die Frucht des Schriftstellers sieht. Dabei steckt unter der Erde so viel mehr, der eigentliche Pilz.