Ausgelesen: „Kintsugi“ von Miku Sophie Kühmel

Ein Buch wie eine zerbrochene Teeschale. Kintsugi, der Titel des Buches, bezeichnet ein japanische Methode eine zerbrochene Teeschale mit Gold zu reparieren, um sie weiterhin in der traditionellen Teezeremonie verwenden zu können. Durch die Reparatur gewinnt die Schale weniger an materiellem, dafür aber an ästhetischem und ideellen Wert.

Der Roman besteht aus vier Kapiteln, jeweils in der Perspektive einer Person verfasst. Das Personal besteht aus dem schwulen Päarchen Max und Reik, deren gemeinsamen Freund Toni und dessen inzwischen erwachsenen Tochter Pega. Die Kapitel sind getrennt durch szenische Einschübe, in denen die vier einem Theaterstück ähnlich gemeinsam auftreten. Die Romankonstruktion entspricht also dem Zusammenfügen getrennter Scherben (die vier Kapitel) mithilfe einer Masse, die die Scherben verbindet (die szenischen Einschübe).

Auf inhaltlicher Ebene spiegelt sich diese Kintsugi-Struktur wieder. Die langjährige Beziehung zwischen Max und Reik löst sich auf. Pega „wird erwachsen“ und löst sich innerlich von ihrem Vater Toni und den väterlichen Freunden Max und Reik. Das Ganze geschieht unverhergesehen und plötlich, im Laufe des Wochenendes, während dem das Buch spielt. Genauso plötzlich und unvorhergesehen wie eine Teeschale zerbricht. Und letzteres passiert natürlich auch in diesem Text.

Ich liebe ja Texte, deren Struktur den Inhalt spiegelt. Das finde ich ja eines vom Besten, was Literatur bieten kann. Kein Wunder, dass mir der Text gefallen hat. Die Autorin hat teils sehr schöne Sprachbilder und kann gut erzählen. Ja, der Text kann einem auch lang vorkommen. Und ja, sie kann nicht aus jeder Perspektive gleich gut erzählen. Und ebenfalls ja, ihre Psychogramme waren mir nicht immer nachvollziehbar, nachempfindbar. Aber: guter Text! Deshalb: Leseempfehlung!