Ausgelesen

Katerina Tuckova: Das Vermächtnis der Göttinen

Eine gute Idee: Irgendwo in den tschechischen Karpaten leben naturverbunden Frauen, die seit Generationen als Heilerinnen tätig sind. Wegen ihrer guten Werke werden sie Göttinnen genannt. Und seit es sie gibt, werden sie von der Kirche als Hexen verfolgt und später dann von den Sozialisten in die Psychatrie gesteckt. Nur die Nazis finden diesen Gegenpol zur Kirche, dieses Heidnische prima. Das Buch collagiert fiktive Dokumente, wissenschaftliche Abhandlungen und Erzählungen zu einem Geflechte über Jahrhunderte. Mit fiesen Spitzen bis fast in die tschechische Gegenwart – zum Beispiel den Kollaborateur, der nahtlos von den Nazis zu den Kommunisten wechselt. Leider kann die Autorin einfach nicht gut schreiben. Schade.

Jonathan Franzen: Unschuld

Ein Geniestreich. Die Geschichte einer handvoll Menschen wird über Jahrzehnte und über verschiedene Gesellschaften (u.a. ehemalige DDR) miteinander verwoben. Alles rankt sich um Pip, eine junge Frau aus Oregon, die von ihrer Mutter endlich wissen will, wer ihr Vater ist. Auf der Suche begegnet sich den anderen Protagonisten. Und wir haben die Chance, diese Menschen in ihren Beziehungen zu erleben und wie diese sich entwickeln. Franzen ist ein Meister der Dialoge, ein Meister der Szenenbeschreibungen, beherrscht Metaphern und schafft es Spannung über hunderte von Seiten zu halten. Das Buch reflektiert unsere (Internet-)Gesellschaft und unsere Beziehungen. Unbedingt lesen!

Harald Martenstein, Tom Peuckert: Schwarzes Gold von Warnemünde

Was wäre, wenn 89 nicht die Mauer gefallen wäre, sondern man Öl in der DDR gefunden hätte. Dann wäre zwanzig Jahre später die DDR das Wirtschaftswunderland, die Wessis wären die ausgebeuteten Gastarbeiter beim großen sozialistischen Bruder und im Palast der Republik würden Orgien gefeiert und regimekritische Lyriker mit Windbeuteln beworfen. Es wäre also alles ganz anders. Oder doch nicht? Denn alle Gestalten der jüngeren deutschen Geschichte begegnen uns wieder – von Guttenberg, Kati Witt, Gysi … Nur leicht verschoben, so wie in der Chaostheorie der Flügelschlag eines Schmetterlings alle verändert. Die Geschichten sind witzig, am Ende zerfleddert der Text. Kann einem trotzdem gefallen.

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