Lernt mit Gewehren umzugehen!
Stephen Emmott ist angesehener Forscher für „computational science“. Was passiert, wenn in Kürze 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Das muss sich doch ausrechnen lassen. Dies dürfte der Ausgangspunkt seiner als Buch (und übrigens auch als Theaterstück!) vorliegenden Überlegungen gewesen sein.
Nun hat er aber keine komplexen Formeln und komplizierten Berechnungen angestellt. Sondern im Prinzip über den Daumen gepeilt, die Entwicklung der Vergangenheit einfach in die Zukunft verlängert. Oder, wenn man genauer hinschaut, sogar noch viel einfacher: wenn wir heute ca. 7,5 Mrd. sind und so und so viel Wasser, Energie, Nahrungsmittel etc. verbrauchen, dann verbrauchen 10 Mrd. das x-fache davon. Und tatsächlich scheint mir diese einfache Herangehensweise die einzig sinnvolle zu sein. Warum alles aufblasen und die verschiedensten Szenarien gegen einander abwägen etc.? Genauso einfach, wie Emmott es durchdenkt ist es nämlich: die eine Erde ist zu wenig, schon jetzt und in Zukunft erst recht.
Der Leser mag da schnell das Gefühl haben, dass der Autor sich im Kreis dreht, weil seine Argumentation immer die Gleiche ist (siehe oben) und nur der Gegenstand (Land, Wasser, Energie etc.) ausgetauscht wird. Der Eindruck wird verstärkt durch die sich immer gleichartigen Grafiken, die in der fernen Vergangenheit quasi linear entstehen und mit der Industrialisierung in exponentielles Wachstum übergehen.
Das Bändchen ist dünn und die Seiten oft nur mit wenigen Zeilen bedruckt. Beim Lesen kommt man schnell voran, rast gleichsam durch das Büchlein und seinem Ende entgegen, ein wenig, wie die Menschheit, um die es hier geht.
Schön ist das Büchlein gemacht, eine schlichter Einband, der ein haptisches Vergnügen ist, hochwertiges Papier, schöne doppelseitige Schwarz-Weiss-Fotos. Der bewusste Leser ahnt Ressourcenverschwendung bei der Herstellung des Büchleins, doch die bibliophile Machart scheint mir durchaus angemessen zu sein: kein knitternder Flyer, sondern ein schönes Buch für den Abgesang auf die Menscheit. Denn das ist es letztendlich. Emmott überlegt sich nämlich, ob die Ausbeutung der Erde durch den Menschen abwendbar wäre. Und kommt zum pessimistischen Ergebnis: nein, dazu müssten wir unser Verhalten radikal ändern und daran glaubt er nicht.
Einen seiner Mitarbeiter hat er befragt, was dieser seinen Kindern angesichts der absehbaren Apokalypse raten würde: der antwortete, er würde seinen Kindern raten, den Umgang mit Gewehren zu lernen. Damit endet das Buch.
Leider. Denn das ist fast die erste und einzige Stelle, an welcher der Autor auf das Hauptproblem zu sprechen kommt: warum rast die Menschheit auf den Abgrund zu? Weil damit einige Leute verdammt viel Geld machen können. Und das Absurde daran: die verdienen damit derart viel Geld, dass sie sich sogar berechtigte Hoffnung machen können, dass sie und ihre Nachfahren noch am ehesten überleben können. Scheiß auf die Armen, die verrecken halt.