Auf dem Weg nach Pömmelte – wie sie gebettet wurden, so lagen sie.

Hab jetzt was über die Schnur- und die Glockenbecherkeramiker gelernt: Sie wurden unterschiedlich begraben – und darüber hab ich auf dem staubigen Weg nach Pömmelte nachgedacht.
Bevor man sie begrub, lebten sie gleichzeitig, jedenfalls überlappten sich die beiden Kulturen und lebten gemeinsam nebeneinander. Die Schnurkeramiker waren älter und standen mit einem Fuß noch in der Steinzeit, mit dem anderen schon in der Kupferzeit. Sie lebten in einem riesigen Siedlungsgebiet von den Niederlanden bis Westrussland, vom Baltikum bis Österreich und die Schweiz. Und zwar von ca. 3000 bis 2200 v.d.Z. Sie betrieben Ackerbau und Viehzucht, sie kannten das Rad und den Wagen. Ihre enorme, flächendeckende Ausbreitung könnte von der Wanderweidewirtschaft kommen oder unterstützt worden sein.
Bestattet wurden nur einzelne Körper (keine Brandgräber, keine Familiengräber …). Die Körper wurden in Ost-West-Richtung gelegt, mit dem Blick nach Süden. Frauen lagen auf der linken Seite, hatten den Kopf im Osten, Männer lagen auf der rechten Seite und hatten den Kopf im Westen (nur der Vollständigkeit halber seien einige Gräber in Polen erwähnt, die genau um 90 Grad gedreht sind, so dass die Blickrichtung Osten ist, die Körper lagen ansonsten aber auf den genannten Seiten). Eine solche geschlechtsspezifische Ausrichtung gab es in den Vorgängerkulturen nicht. Von den Schnurkeramikern fand man nicht viel in Pömmelte.
Viel mehr fand man von den Glockenbecherkeramikern. Sie tauchten ein paar hundert Jahre nach den Schnurkeramikern auf, um 2600 vdZ, lebten aber wie sie bis etwa 2022 vdZ. Um dann von der Aunjetitzer Kultur abgelöst zu werden. Aber um die soll es hier nicht gehen.
Die Glockenbecherleute findet man ebenfalls in einem enormen Gebiet: vom Mittelmeerraum (Sizilien, Sadinien, Provence und Rhonetal, Roussillon-Katalonien) über das Hinterland von Gibraltar, an Teilen der spanischen Küste bis in die Bretagne und Britannien und Irland. Im Inneren des Kontinents in mehreren Mittelgebirgsregionen nördlicher der Alpen bis zu Gebieten in und um die Karpaten und das pannonische Becken. Die Aufzählung ist nötig, denn es handelt sich (im Unterschied zu den Schnurkeramikern) nicht um ein geschlossenes Siedlungsgebiet, eher Siedlungsinseln. Der Fundort in Pömmelte ist also recht weit im Norden. Woher sie ursprünglich kamen, warum es dieses zerfaserte Siedlungsgebiet gibt? Man weiss es nicht.
Die Glockenbecherkultur und die Schnurkeramiker kannten sich – sie lebten zur gleichen Zeit und oft in gleichen Gebieten gemeinsam. Die Glockenbecherleute begruben ihre Toten aber anders und ich sag mal, dass das eine bewusste Abgrenzung war. Auf den ersten Blick überwiegen die Ähnlichkeiten: Einzelgräber in Hockerstellumg. Und es gibt ebenfalls eine geschlechtsspezifische Anordnung. Und jetzt der Unterschied: die Ausrichtung der Körper erfolgte in der Nord-Süd-Richtung mit Blick nach Osten. Die Köpfe der Männer sind im Norden, sie liegen also auf der linken Seite. Die Köpfe der Frauen liegen im Süden, die Körper der Frauen liegen also auf der rechten Seite.
Ich versuch das mal mit einer kleinen Zeichnung. Wenn man die genauer anschaut, dann sieht man, dass es nicht damit getan ist, die eine Begräbnisart zu drehen oder zu spiegeln, um die andere Art zu erhalten. Man muss schon beides tun, um einen (!) Körper von der einen Lage in die andere zu bringen. Für ein Paar gibt es keine mathematische Transformation, die das schaffen würde (sind ja aber auch nur Einzelgräber).


Nun haben sich die Beteiligten vielleicht keine Gedanken über eine mathematische Transformation gemacht, damit will ich nur sagen, dass es keine „versehentliche“ Änderung des Ritus ist. Was kann dahinter stecken? Hier meine Spekulation:
Die Blickrichtung nach Osten geht Richtung aufgehender Sonne, eine Verheisung von Licht, Wärme, Leben. Vielleicht eine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. In jedem Fall scheint mir eine Dichotimie die Grundlage zu sein. Ein binäres Weltbild aus Tag und Nacht. Die Toten sind nicht mehr hier, sie hoffen auf den Sonnenaufgang und das Leben an einem strahlend-hellen Ort. Man kennt derartiges ja auch aus dem Christentum.
Die Blickrichtung nach Süden belässt den Toten mitten im Hier und Jetzt. Er sieht den gleichen Tag wie wir, er teilt den Tag mit uns. Er hat die Welt der Lebenden nicht verlassen. So seh ich das.
Und warum liegen Mann und Frau verschieden? Keine Ahnung, fällt mir nix zu ein.
Was mir aber noch einfällt, das sind die Liebenden von Valdaro. Ein Skelettpaar, das in der Nähe von Mantua gefunden wurde. Ein einzigartiger Fund, der sehr romantisierend als Liebespaar gedeutet wurde. Die Skelette sind auch aus der Jungsteinzeit, aber deutlich älter, als die Leutchen von Pömmelte, das Grab ist zwischen 3370 und 3315 vdZ angelegt worden und in einer defintitv anderen Kultur. Die beiden Körper sind nicht auf die Umwelt bezogen (auch wenn sie eine Nord-Süd-Ausrichtung haben), sondern auf sich und eben kein Einzelgrab. Der Mann liegt auf der rechten Seite, die Frau auf der linken (wie bei den Schnurkeramikern).