April-Auslese: Martin Mosebach „Das Blutbuchenfest“

Ein Buch, das ich gern las. Die Konstruktion ist nicht übermäßig phantasievoll: jedes Kapitel dreht sich weitgehend um jeweils eine Person; der Personenkreis aus dem geschöpft wird ist die Frankfurter Schickeria; die verbindenden Glieder sind von Anfang an Ivana, die bosnische Putzkraft, und im Fortgang des Buches zunehmend mehr das „Blutbuchenfest“.

Die Geschichte entwickelt sich auf zwei gleichzeitige Ereignisse hin: das titelgebende Blutbuchenfest – eine aus dem Ruder laufende Massenparty in einem Privatgarten rund um die Blutbuche (erinnert sehr an die erst Jahre später aufgekommenen und aus dem Ruder laufenden Facebook-Parties) und der am gleichen Abend ausbrechende Bürgerkrieg in Bosnien, der Ivanas Familie heimsucht. Die Konstruktion ist wie gesagt nicht allzu komplex, eigentlich absehbar. Dass es eine Blutbuche ist, um die gefeiert wird, soll sicherlich allegorisch sein und gehört schon in die anspielungsreiche Humorschublade des Autors.

Denn tatsächlich lässt der Autor seine Leser lustvoll und witzig teilhaben am weitgehend sinnfreien Leben der Frankfurter Schickimickies. Viele Kapitel sind aus der Sicht eines Ich-Erzählers erzählt (auch wenn dieser an mancher Stelle mehr weiß, als einem Ich-Erzähler zusteht). Manche Kapitel auch ganz traditionell auktorial erzählt. Aber mit welcher Erzählwucht. Eine Erzählwucht, die sich nicht in der Dynamik der Handlung (die fehlt weitgehend), sondern ganz stark in der Beschreibung kleiner Situationen und der dadurch ausgelösten Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten entfaltet.

Das kann Mosebach wirklich ganz meisterlich. Zum Beispiel im ersten Kapitel, in dem Ivana die Abwesenheit ihrer Arbeitgeberin ausnutzt und deren Marmorbad bentutzt. Mosebach lässt sie zur göttlichen Schaumgeburt werden. Archaisch wuchtig auch die Beschreibung, wie ein Bauernhaus in Bosnien aus dem Boden gestampft wurde. Oder was der Liebhaber denkt, während er sich im Schrank verstecken muss. Es ließen sich noch viele weitere Stellen nennen, die gelungen sind, das würde aber einfach in einer Aufzählung der Kapitel enden, denn tatsächlich ist das Buch von vorn bis hinten super geschrieben.

Was man abkönnen muss: Mosebach arbeitet mit Klischees. Darauf basieren seine Figuren und die von ihm beschriebenen Situationen im Kern. Sie sind zwar komplex augebaut, das Kernklischee ist aber unverkennbar.

Ein wenig hat man den Eindruck, dass Mosebach einem zeigen möchte, die blöde die Kultur- und Finanzschickeria in Bankfurt ist. Er scheint sich mit dem Leser verbünden zu wollen: schau nur, die da leben so sinnfrei und gleichzeitig gibt es dieses echte Leben und Sterben, so archaisch, in Bosnien. Und wenn der Leser dasitzt und sich über das Banausentum und die Wert(e)losigkeit der Figuren mokiert, dann ist er in die Falle getappt, die Mosebach ihm aufstellt: bist auch nur so ein übles Lästermaul, kein Deut besser als die Figuren, die sich hinter dem Rücken der anderen über diese auslassen.

Oder ist das schon zu komplex gedacht und Mosebach ist einfach ein wertekonservativer Kerl?

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